Die Villa Steinberg
(von Stadtheimatpfleger Werner Vahlbruch)

Die Villa Steinberg, Haus Steinberg, aber auch die Glitzerburg im Volksmund genannt, erhebt sich über der Stadt auf einer kleinen bewaldeten Anhöhe als imposantes Gebäude, auf einem ruhigen Platz in der Einsamkeit der Natur, auf dem rund 100 Meter hoch gelegenen Steinberg, unweit des Kipphuts.
Wechselvolle Namen, wechselvolle Geschichte, hat dieses schlossähnliche Gebäude in den vergangenen hundert Jahren erfahren. Der Ziegeleiunternehmer und Landwirt Louis Heyer, der auch Architekt war, hat um 1900 als neues Herrenhaus seines Gutshofes Boksberg diese Villa gebaut. Für seine Ehefrau und Tochter ließ Louis Heyer die Villa bauen, die jedoch nur für kurze Zeit von der Familie bewohnt wurde. Die Einsamkeit von Wald und Flur, die die Villa umgab, sind möglicherweise der Grund für das kurze Verweilen gewesen.
Das genaue Entstehungsdatum ist nicht belegt, ebenso wenig, ob der Hannoversche Architekt Karl Börgemann die architektonische Ausführung hatte. Es liegt jedoch nahe, denn Bauwerke Karl Börgemanns, insbesondere aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und teilweise auch aus dem 20. Jahrhundert, lassen Stilformen bestimmter historischer Epochen – unter dem Begriff des „Historismus“ zusammengefasst - erkennen.
Weiße Verblendsteine, grüne Fensterrahmungen prägen den zweigeschossigen Backsteinrohbau mit Walmdach, Anbauten, Erker und ein angeordneter Turm, etwa 30 Meter hoch, mit Erker und Pyramidenhelm, geben der blockhaften Geschlossenheit des Baukörpers einen Stil der besonderen Art. Bis 1940 zeigte sich an der Nordansicht noch ein Fialengiebel, der jedoch durch einen Brand zerstört wurde. Die Schlichtheit, aber auch die Farbigkeit des Gebäudes ist immer noch zu erkennen. Die kleinen und großen Spitzbogenfenster und das spitzbogige Eingangsportal geben dem Haus eine verspielte Ausstrahlung. Auch im Innern des Hauses, die große zweigeschossige Halle mit Galerie im Obergeschoss, dem Kreuzrippengewölbe aus grün glasierten Formstein, sind etwas Besonderes. Alle Steine, die für das Bauwerk benötigt wurden, sind in der Kunstziegelei des Bauherrn Louis Heyer gefertigt worden. Das Material hierfür kam aus den eigenen Tongruben, die sich in der Nähe seines Gutshofes befanden. Ursprünglich glitzerten auch die glasierten Verblendsteine. Im Sonnenlicht strahlten sie schon von weitem. So entstand für die Villa sicherlich auch der Name Glitzerburg.
Nachdem die Villa von der eigenen Familien nicht mehr genutzt wurde, verpachtete die Familie Heyer fortan seinen Grundbesitz.

Christliche Volkshochschule zieht ein

Am 10. Mai 1925 zog die Christliche Volkshochschule Hermannsburg in die Villa ein. Im Sommer und Winter wurde jungen „Frauen und Männer“ in mehrmonatigen Lehrgängen die Vertiefung der Persönlichkeit, gesunde Vervollkommnung des Wissens, Urteilsfähigkeit in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Dingen sowie körperlicher Ertüchtigung, vermittelt. Breitgefächert war der Lehrplan. Mit deutscher Dichtung und Sprache, Bibelkunde, Steuerlehre, Lebenskunde, Buchführung, Säuglings- und Krankenpflege, Volkswirtschaft, um nur einige zu nennen, war es das Ziel der Christlichen Volkshochschule, dass sich die jungen Menschen mit allen wichtigen Lebensfragen auseinandersetzen.
Zwanzig Schülerinnen und Schüler wurden pro Lehrgang unterrichtet. Neben dem Leiter der Volkshochschule, Gerichtsassessor a. D. Hans Crome, waren seine Schwester, Dr. Bohlen und Frau Wilkening als Lehrkräfte tätig.
Nachdem in Deutschland der Nationalsozialismus immer mehr die Macht des Staates in seine Hände nahm, mussten die christlichen Volkshochschulen verschwinden und so wurde bereits in den ersten Jahren der NS-Zeit die Volkshochschule faktisch aufgelöst. Vermutlich war dieses in den Jahren 1933/1934.

Eine neue Nutzung der Villa

In den Jahren von 1933 bis 1936 hatte unter anderem die Gau-Frauenschaft in der Villa ihr Domizil. Die Frauen besser gestellter NS-Männer konnten während dieser Zeit Erholungsurlaub auf dem Steinberg machen.
Gau-Frauenschaftsführerin war Frau Meta Miska-Grahl. 1936 wurde dann der Sitz der Gau-Frauenschaft nach Gronau (Leine) verlegt. Von Frühjahr 1936 bis 1941 befand sich in dem Gebäude ein privates Alten- und Pflegeheim, dass von dem Kaufmann Heinrich Wilkening, Hannover, betrieben wurde. Etwa 50 bis 60 Bewohner lebten in dem Haus. Bei einem größeren Schadensfeuer am 14.11.1940 wurde ein Teil des Gebäudes sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, so dass ein Bewohnen für die alten und kranken Menschen nicht mehr gegeben war. Auf Veranlassung des Bürgermeisters der Stadt Sarstedt, Herrn Niemann, wurden die Heimbewohner zunächst in einer Notbaracke in Ahrbergen untergebracht. Zum 1. Januar 1941 wurde die Baracke jedoch gekündigt, da sie für militärische Zwecke benötigt wurde. Da sich der jetzige Eigentümer Georg Heyer (Sohn von Louis Heyer) mit einer zügigen Wiederinstandsetzung / Renovierung der Räumlichkeiten sehr schwer tat und ein absehbares Bewohnen der Villa so schnell nicht möglich war, kam das „Aus“ für das Alten- und Pflegeheim. Die Bewohner fanden dann Anfang 1941 ein neues Zuhause in Winzenburg bei Alfeld. Vom 17. Juni 1942 an wurde das Haus und Grundstück an eine Feuerlöschkompanie zu einem jährlichen Mietzins von 8.500 Reichsmark verpachtet.
Als in den Jahren 1943/1944 die Bombenangriffe auf Hannover an Stärke und Heftigkeit zunahmen, erschien der Gauleitung Süd-Hannover-Braunschweig ihr in Hannover gelegener Befehlsbunker nicht mehr stabil und sicher genug. Die Gauleitung beschloss eine Verlegung an eine Stelle außerhalb des Stadtgebietes von Hannover. Die Wahl fiel auf den Steinberg bei Sarstedt, der durch seine natürliche landschaftliche Erhebung einen weiten Blick in das Landgebiet gewährte.

Der Befehlsbunker

Es wurde ein Befehlsbunker auf der Kuppe des Berges gebaut, der auch gleichzeitig mit der Villa verbunden war. Ferner gruppierten sich vier Baracken auf dem Gelände.
Der Bunker in seinen Ausmaßen von ca. 32 Meter Länge, 6 Meter Breite und einer Höhe von 11 Meter wurde durch Handwerkerarbeitsgemeinschaften gebaut. Ebenso die Baracken. Viele Handwerksmeister aus Sarstedt und Umgebung waren am Bau beteiligt. Etwa 56 500 Mauersteine wurden verbaut, die von der damaligen Ziegelei in Algermissen geliefert wurden. Die Überlassung des Geländes an die Gauleitung erfolgte am 6. November 1944. Die monatliche Miete an den Eigentümer Georg Heyer war mit 900 Reichsmark beziffert. Der Befehlsstand hat nur kurze Zeit seinem eigentlichen Zweck gedient und der letzte Gauleiter Lauterbacher soll sich nur bedingt in Sarstedter Befehlsstand aufgehalten haben.
Im Bunker selbst war eine Nachrichtenvermittlung modernster Art eingebaut. Als der Krieg sich dem Ende neigte und die Bombenangriffe auf Hannover und Hildesheim zunahmen, fand die Bevölkerung Schutz in dem Bunker.
Nach der Kapitulation vermietete Georg Heyer das Gelände mit Villa am 24. August 1945 an die Stadt Hannover. Die Villa und die parkähnliche Anlage sollten zu einem Altenheim umfunktioniert werden. Der Plan kam jedoch nicht zur Durchführung, da die Besatzungsmacht das Grundstück zunächst für militärische Zwecke beschlagnahmte.

Technische Hochschule zieht ein

Nach Abzug der Besatzungstruppen und der Gedankengänge des Landes Niedersachsen eine Hochschule für Gartenbauwissenschaften zu gründen, zog dann am 1. August 1947 die Hochschule für Gartenbau und Landeskultur bei der Technischen Hochschule Hannover, seit 1952 als Fakultät angegliedert, in die Villa Steinberg ein.
Bevor jedoch der erste Spatenstich auf dem Steinberg für den Ausbau einer Hochschuleinrichtung am 6. Mai 1947 erfolgte, trafen bereits am 28. April 1947 die ersten Studenten ein, obwohl ihnen noch keine Zusicherung zur Errichtung einer Hochschule gemacht werden konnte.
Mit großem Engagement beteiligten sich die Studenten an den Aufbauarbeiten der „ersten Stunde“. Die ersten Vorlesungen begannen bereits im Wintersemester 1947/1948. Die Baracken auf dem Gelände dienten den Studenten als Unterkunft. Von den fünf Baracken wurde eine als Kantine genutzt. Im Mai 1948 wurde das Institut für Obstbau und Baumschule auf dem Steinberg, Technische Hochschule Hannover, gegründet und im gleichen Monat – am 25. Mai 1948 - konnte zwischen dem Kultusministerium des Landes Niedersachsen und der Eigentümerin der Villa und des Steinberges, Familie Kaldy, ein langjähriger Pachtvertrag geschlossen werden. Die ersten Versuchsfelder wurden im Jahre 1949 auf der damals sieben Hektar großen Landfläche angelegt.
Bis Anfang der siebziger Jahre als Pächter des Grundstücks, gehört dem Land Niedersachsen seit 1975 ein Areal in der Größe von 3,5 Hektar. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der erwähnte Bunker auf dem Grundstück, seinerzeit nach einem Befehl der Militärregierung gesprengt werden sollte. Diese Sprengung hätte jedoch unvermeidlich eine schwere Beschädigung der Villa mit sich gebracht.
So steht der Bunker noch heute, inzwischen von Efeu eingegrünt. Die Räumlichkeit wird heute vom Institut für Obstbau und Baumschule der Universität Hannover für Forschungszwecke genutzt.